Oder wie Glück glücklich machen kann

„Und am Ende der Straße steht ein Haus am See.
Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg.
Ich hab 20 Kinder meine Frau ist schön.
Hmm alle kommen vorbei ich brauch nie rauszugehen.“
Der eine oder andere kennt ja den Song „Haus am See“ von Peter Fox.
Worum es darin geht? Um Glück. Und um die Suche danach.
Auf Facebook sehe ich, wie die ersten aus meinem Abitur-Jahrgang heiraten und Kinder
bekommen. Ein paar meiner Freunde aus Kindertagen haben nach ihrer Ausbildung ein Haus
gekauft, gründen eine Familie und werden sesshaft. Sie arbeiten acht Stunden, kümmern sich um
ihre Familie, verfolgen einigermaßen ihre Hobbies und fahren ein bis zwei Mal im Jahr in Urlaub.
Ein junger Familienvater ist vielleicht sehr sportlich unterwegs, geht Fahrrad- oder Skifahren und
macht Urlaub in Mallorca. Ein älterer ist in seinem Verein aktiv oder lernt Geige. Das Leben ist
routiniert, der Freundeskreis klar definiert und das Familienleben im besten Fall harmonisch. Die
Kinder wachsen behütet auf, kommen aufs Gymnasium, machen irgendwann ihr Abitur und
studieren. Es kommt vor, dass viele dieser Kinder rebellieren – kann passieren. Sie kiffen dann in
der Studienzeit, engagieren sich in alternativen Gruppen oder machen sich für selbstverwaltetes
Wohnen stark. Aber Fakt ist: Die meisten führen am Ende den Lifestyle ihrer Eltern fort. Der innere
Drang nach Sicherheit und die Versagensängste überwiegen in den allermeisten Fällen dem Traum
von Freiheit und Selbstverwirklichung.
Natürlich ist das zu verallgemeinernd und hört sich ein bisschen sarkastisch an. Doch so ist das
nicht gemeint. Es geht hier um das Bild und was es bedeutet genauso wie das Haus am See von
Peter Fox.
Früher zu Schulzeiten hätte ich diese Menschen nicht verstanden, mehr noch: Ich habe so etwas
bisher immer belächelt. Haben diese Leute gar keinen Hunger, etwas zu erreichen? Haben die gar
kein Bedürfnis, in der Gesellschaft etwas zu bewegen? Was ist das denn bitte für eine konservative
Lebensweise? Ist doch langweilig und total 0815 usw. Das waren in etwa meine Gedanken dazu.
In meinen Augen war das Weltbild dieser Leute immer beschränkt, egoistisch und nicht sonderlich
inspirierend. Heute sehe ich das natürlich anders. Man könnte es nämlich auch anders formulieren:
Eigentlich kann eine solche Lebensauffassung ziemlich entspannt und selbstgenügsam sein. Denn
man sollte jeden Menschen akzeptieren, der sein Leben anders führen will und die Welt anders sieht
als man selbst. Doch mir ist irgendwann klar geworden: Ich bin einfach nicht so „der Typ“ dafür.
Sehr früh zeichnete es sich bei mir schon ab, dass ich etwas bewirken und hinterlassen wollte. Und
zwar etwas, das mehr sein sollte als Familie, Haus und Garten. Heute meine ich zu wissen, was
mich am glücklichsten macht. Es ist nicht die Ruhe und das Gefühl, angekommen zu sein, nach der
ich strebe. Es ist kein Bild von einem Haus am See, wie Peter Fox es singt. Wir bei kopfundherz
müssen neben unserer Musik (noch) arbeiten, studieren, nehmen Verpflichtungen wie Familie,
Partner oder Freunde wahr, machen Sport und haben zudem mit den Problemen zu kämpfen, die
jeder andere auch hat. Ich meine, klar, es ist unser Traum, mit unserer Musik erfolgreich zu sein.
Doch der eine oder andere könnte denken, das sei doch extrem anstrengend. Man könnte uns fragen,
warum wir uns das antun? Wieso setzen wir uns immer neue Ziele, wenn wir die alten schon
erreicht haben? Warum gönnen wir uns keine Pause, arbeiten stetig weiter an uns und unserem
Traum und wollen immer mehr?
Ganz einfach: DAS ist Glück.

Als wir einmal an einem Wochenende einen Fototermin hatten. abends nach der Arbeit noch zur
Probe mussten und am nächsten Tag einen Auftritt gespielt haben, hat mich Don Jahin angeguckt
und gesagt: „Das ist es, was ich will!“ Damit meint er den Zustand der ultimativen Produktivität.
Ich kann nachts nicht schlafen, wenn ich weiß, dass ich heute eigentlich noch mehr aus mir hätte
rausholen können. Wenn ich zwei oder drei Tage am Stück chille, bekomme ich ein schlechtes
Gewissen und deswegen sehr schlechte Laune. Denn wir sind nur ein Mal jung und haben nur ein
Mal die Kraft, das zu erreichen, wovon man als kleiner Junge nachts träumt. Da wären wir doch
dumm, es nicht wenigstens zu versuchen. Ich könnte irgendwann als 60 Jähriger nicht in den
Spiegel gucken, wenn ich tief im Herzen wüsste, dass ich nicht alles gegeben habe, als ich es noch
konnte. Und die Jungs sehen das genauso.
Glück ist kein erstrebenswerter Zustand, den man irgendwann erreichen kann oder nicht. Wer denkt,
dass er irgendwann glücklich ist, wenn er nur genug Geld verdient oder die Traumfrau gefunden
oder eine Familie gegründet hat usw. wird scheitern. Denn Glück ist kein Zustand, sondern eine
Idee – wie Peters Haus am See. Beim ständigen Versuch, sie zu verwirklichen, wird man manchmal
zufrieden sein, manchmal aber auch nicht. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung heißt
es, der Mensch habe das Recht auf Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Es heißt nicht, der
Mensch habe das Recht auf Glück, sondern das Streben danach. Und wer nicht strebt, wird
demnach auch nicht glücklich sein. Wer das aber tut, könnte es.
Deswegen bin ich allergisch gegen Müßiggang. Denn es ist noch ein sehr langer Weg zu gehen, bis
wir die beste Band in Deutschland sind. Aber dieser Weg ist allein unser Weg.
Und er ist verdammt geil!
(Noch eine kleine persönliche Anmerkung:
Das Album „Stadtaffe“ von Peter Fox gehört für mich zu den besten deutschsprachigen Alben, die
ich je gehört habe. Es hat mein musikalisches Verständnis extrem geprägt und mich künstlerisch
wie persönlich sehr beeinflusst. Selten ein so komplettes und rundes Kunstwerk gesehen. Ich kann
jedem nur empfehlen, sich das anzuhören – wenn er das ohnehin nicht schon getan hat)